Als wir erfuhren, dass wir noch ein Kind erwarten, war die Freude groß. Wir waren aber auch verunsichert: Es war klar, dass ich spätestens nach einem Jahr mit dem Ende des Elterngeldes wieder arbeiten gehen muss, um den Unterhalt der Familie zu sichern. Wir sind auf mein Gehalt angewiesen. Mein Mann verdient als Krankenpfleger zu wenig, um eine fünfköpfige Familie zu finanzieren.
Deswegen kümmerte ich mich bereits im 5. Monat der Schwangerschaft um einen Krippenplatz. Ich fragte zuerst beim ehemaligen Kindergarten meines großen Sohnes nach, ob sie ab Mai 2019 einen Platz für uns hätten. Dort wurde mir gesagt, dass die Zuteilung der Plätze inzwischen durch die Stadt erfolge und ich mich dorthin wenden solle.
Die Mail der zuständigen Sachbearbeiterin war freundlich. Mir wurde mitgeteilt, dass im November alle Eltern angeschrieben würden, deren Kind im darauffolgenden Kindergartenjahr zwischen einem und drei Jahren alt würden. Zu diesem Zeitpunkt seien viele Kinder, die mit einem Jahr in dem betreffenden Kindergartenjahr Betreuung benötigten, noch nicht geboren. Daher würden Eltern mit Neugeborenen separat angeschrieben. Es folgte ein Verweis auf die auch online abzurufende Kindergarten-broschüre. Aus den Einrichtungen sind von den Eltern 3 auszuwählen und als Wunscheinrichtungen anzugeben.
Soweit so gut. Ich kannte das Procedere. Allerdings war mir damit konkret nicht geholfen: Ich musste wissen, ob unser Kind mit einem Jahr überhaupt eine Chance auf einen Platz haben würde. Offenbar wurden ja die Plätze schon im Winter auf 1 1/2 Jahre hin vergeben und die Nachgeborenen konnten nur auf Restplätze hoffen. Wir brauchten Betreuung und es stand nicht zur Debatte, die Elternzeit zu verlängern, sondern wir mussten ggf. Alternativen suchen.
Ich fragte also nach, wie realistisch die Chance auf einen Krippenplatz sei. Mir wurde mitgeteilt, dass man sich bemühe, aber nicht garantieren könne, dass es zum Wunschtermin zu den benötigten Zeiten in der Wunscheinrichtung klappt. Keine sehr hilfreiche Antwort: Im Zweifel war mir wichtig, überhaupt Betreuung zu haben, Wunscheinrichtung hin oder her. Es ging auch nicht um einen Wunschtermin, sondern ums finanzielle Überleben der Familie!
Sorgenvoll wandte ich mich an den Tageselternverein und bewarb mich auch dort noch in der Schwangerschaft um Betreuung durch eine Tagesmutter. Die Beratung war sehr ausführlich. Ich erfuhr davon, dass ich einen Rechtsanspruch auf Betreuung habe. Auch für die Art der Betreuung besteht Wahlfreiheit. Die Option einer Tagesmutter hatte ich vorher nicht ernsthaft bedacht. Nach der Geburt solle ich mich noch einmal melden.
Wenige Wochen nach der Geburt erhielt ich von der Stadt einen Willkommensbrief für den neuen Bürger. Informationen zu Angeboten der Unterstützung und ein Lätzchen mit dem Brettener Hundle lagen bei. Außerdem wurde eine Familienbesucherin angekündigt. Der Termin lag allerdings noch Monate voraus. Am gegebenen Zeitpunkt, Jan war schon über ein halbes Jahr alt, erschien keine Familienbesucherin. Nach einer Stunde des Wartens fragte ich telefonisch nach – ja, man habe eine Krankmeldung erhalten, aber vergessen mich zu informieren. Wie ich von anderen Müttern höre, ist das kein Einzelfall. Ein Besuch zu diesem Zeitpunkt ist aber ohnedies ein bisschen spät. Wenn Hilfe nötig ist, etwa bei einem Schreibaby oder in einer schwierigen Paarsituation, wird das schon kurz nach der Geburt akut und ggf. für das Kind bedrohlich. Eine schöne Idee, ein freundliches Willkommen auch mit diesem Brief – leider hakt’s aber in der Umsetzung.
Nach der Geburt meldete ich mich wieder bei der Stadt und beim Tageselternverein und füllte das Anmeldeformular aus. Im Winter erhielten wir dann eine Zusage für eine Wunschkita ab Mai 2019. Also ab dem benötigten Termin. Erleichterung! Das böse Erwachen kam, als wir die Einrichtung besuchten: Man könne Jan erst am Mitte Juni eingewöhnen und das dauere 6-8 Wochen! Davor seien andere Kinder an der Reihe und der Träger akzeptiere keine Kinder unter 1 Jahr, auch nicht zur Eingewöhnung. Wie soll dann der Rechtsanspruch auf Betreuung ab einem Jahr mit dieser KiTa erfüllt werden? Offenbar hakte auch hier die Kommunikation zwischen Stadt und KiTa. Ich würde also nicht ab Mai eine bedarfsdeckende Betreuung haben, sondern erst ab Juli.
Was tun? Wir berieten, dass mein Mann 2 Monate in bezahlte Elternzeit ginge und danach seinen gesamten Jahresurlaub für die Eingewöhnung nähme. Nur so konnte es klappen. Mit großen finanziellen Einbußen und unter Verzicht auf die gesamte gemeinsame Urlaubszeit in diesem Jahr.
Im übrigen würden ich einen Ganztagsplatz zahlen müssen, auch wenn ich mit meiner halben Stelle nur 20 Stunden Betreuung brauchte, da keine Teilplätze vergeben werden. Die Öffnungszeiten der Regelgruppe oder VÖ Gruppe reichten nicht aus, da ich evtl. auch nachmittags arbeiten musste.
Auch muss das Kind vorsorglich in der Eingewöhnung einmal den ganzen Tag in der Einrichtung verbringen, um den Ganztag kennen zu lernen. Mir widerstrebte die Vorstellung, den kleinen Knirps mit einem Jahr 9 Stunden in der KiTa zu lassen. Darum wollte ich ja nur Teilzeit arbeiten, um für ihn da zu sein!
Hier verlangt unsere moderne Arbeitswelt höhere Flexibilität als die KiTas sie derzeit bieten. Ich verstehe, dass vom Kind her an Eventualitäten und einen Tagesrhythmus gedacht wird. Aber auch Eltern haben ihr Kind im Blick. Was Familien brauchen, sind bedarfsgerechte und finanzierbare Lösungen. Für einen Ganztagsplatz mit Essen und allem, was sonst anfällt, zahlt man über 600 Euro. Das ist zu viel und für viele unerschwinglich.
Ich wandte mich noch einmal an den Tageselternverein. Nach einigen Schwierigkeiten bekamen wir einen Platz bei einer wunderbaren Tagesmutter. Für unseren Bedarf fallen nur 1/3 der Kosten einer KiTa an. Wir haben einen günstigeren Betreuungsschlüssel, die Zeiten können besser abgestimmt werden und das Essen ist inklusive. Für uns ist die Odyssee Betreuungsplatz gut ausgegangen.
Eine befreundete Mama allerdings bangt derzeit um ihre Zukunft. Sie muss ab dem ersten Geburtstag ihres Kindes dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sonst bekommt sie kein ALG I mehr. Sie möchte auch gerne wieder eine Stelle antreten. Daher braucht sie dringend eine Betreuung. Allerdings hat sie eine Absage erhalten. Alle Wunschkitas sind belegt. Und nun?
Mein Fazit: Die Stadt Bretten bemüht sich um junge Familien. Es gibt hilfreiche Angebote wie die städtischen KiTas, den Willkommensbrief und die KiTaBroschüre. Allerdings hapert es an der Kooperation der verschiedenen Akteure. Im übrigen ist das Betreuungsangebot nicht bedarfsdeckend. Es ist zu unflexibel und zu teuer. Es ist nicht zu begründen, warum schulische und universitäre Bildung kostenlos ist, grundlegende Bildung und Betreuung in KiTas aber hohe Elternbeiträge verlangt. Über Teilzeitmodelle und Nachtkindergärten ist angesichts der modernen Arbeitswelt und Lebensbedingungen vieler Familien nachzudenken. Es geht nicht um die Karriere oder Selbstverwirklichung der Frau, sondern um Existenzsicherung. Besonderes Augenmerk und besondere Förderung verdienen auch Alternativen wie Spielgruppen und Tageseltern.